Paul Galas’ Gemälde orientieren sich am Comic. Diese stilistische Entscheidung geht deutlich über eine reine Kindheitsnostalgie hinaus, auch wenn eine solche die Bilder unzweifelhaft begleitet. Jedes Panel steht für sich, ist auf eine Art allein, und trotzdem sind sie Fenster zu einer geteilten Welt. Farbe ist wichtiger als Text. Die Zeichnung hat bereits, ebenso wie die Titel, etwas Schlagwortartiges. Text wäre überflüssig, denn das Offensichtliche ist direkter als jede Bezeichnung.
Die Welt ist klein, aber erstreckt sich doch vom Kinderzimmer bis ins Weltall.
Galas entwirft panelübergreifend eine anachronistische, von scheinbarer Gleichgültigkeit geprägte Utopie. Alltag und Spektakel, das Profane und das Fantastische, allgemein Gegensätze, werden solange stilisiert und einander angeglichen bis man sie kaum noch unterscheiden kann.
Ein gewisser Optimismus ist allzeit präsent, denn alles strahlt aus sich heraus, leuchtet von hinten statt von oben. Findet man doch unnötigerweise eine Sonne im Himmel, versteckt sie sich schüchtern hinter den Bäumen. Schwarz umrissen, macht sie sich klein und dimm, nimmt bescheiden ihren Platz im großen Nebeneinander ein, statt auf die anderen Dinge abzustrahlen. Ob Schere, Pyramide, Computer, Ufo, Glühbirne, Ball, Baum oder Mensch, in diesen Panels sind sie alle Dinge unter Dingen. Humor und Strahlen schaffen die Differenz ab. Alles scheint animiert – und ist darin gleichermaßen Pop. Die Blumen lächeln zufrieden. Blau-grüne übersaturierte Landschaften werden zur Bühne und zum Desktophintergrund für ein lakonisches Schauspiel. Alle Akteure verharren, wortkarg und mit großer Geduld, auf dem ihnen zugewiesenen Platz. Sie bilden die Welt mehr als dass sie ihr entstammen. Hier und da buchstabieren die Dinge förmlich ihren Namen – „Glühbirne“, „Ufo“ – als handle es sich um konkrete Poesie.
Die ganze Welt ist durch und durch gefasst von schwarzen Konturlinien. Sie unterteilen das transzendente Leuchten, und die Dinge nehmen es sich als Wesenskern. Vom geteilten Ursprung aus tritt das Persönliche des Dings in Erscheinung und spricht deutlich seinen Namen. Da wo das Wesentliche einer Bezeichnung weichen muss, beginnt der Kampf des Bildes um malerische Tiefe. Dann schütteln die Dinge die Schlagwörter ab.
Es herrscht Ordnung. Die Konturlinien sind bestimmt, verhindern noch das kleinste Schwanken, stützen die stopp-tanzenden Dinge.
Die Akteure in dieser Comic-Welt gleichen sich. Allem eigentlich Lebenden haftet etwas Dinghaftes an, während allem eigentlich Toten etwas Beseeltes zuteil wird.Alles pendelt sich in der Mitte ein.
Den Skorpion kann man aufheben wie einen Briefbeschwerer, mit seiner Schere eine Bierflasche öffnen, und im Glas angekommen bedankt sich das Bier höflich. Weshalb sich das gerade noch freundlich plaudernde Bier im nächsten Moment auf die Gleise gestellt hat, weiß man nicht. Man könnte auch an die Szene in „The Fabelmans“ denken, in der ein verstörter, junger Steven Spielberg eben solch eine Szene nachstellt, um seine Albträume in den Griff zu bekommen. Bei aller Klarheit und allem Optimismus, dieser Pop-Kosmos hat auch etwas Unheimliches.
Besonders am Comic ist laut Lambert Wiesing, dass er die eigene Darstellungsweise zugleich zur Darstellungsabsicht nimmt.(1) Entlang dieses einebnenden Ordnungsprinzips entfalten sich Sinn und Unsinn nunmehr horizontal. Die echten Dinge weichen präzisen Ideen, die sich auf den zweiten Blick dann doch als Abstraktionen offenbaren.
Aufs scheinbar Wesentliche reduziert, stellt sich die Frage nach dem Ursprung jener Klarheit, die man auf die mit Leichtigkeit gesetzten Linien projiziert.
Heidegger beschreibt dies so:
„Übereinstimmung mit dem Seienden gilt seit langem als das Wesen der Wahrheit. Aber meinen wir denn, jenes Gemälde van Goghs male ein vorhandenes Paar Bauernschuhe ab und es sei deshalb ein Werk, weil ihm dies gelinge? Meinen wir, das Gemälde entnehme dem Wirklichen ein Abbild und versetze dies in ein Produkt der künstlerischen... Produktion? Keineswegs.
Also handelt es sich im Werk nicht um die Wiedergabe des jeweils vorhandenen einzelnen Seienden, wohl dagegen um die Wiedergabe des allgemeinen Wesens der Dinge.“(2)
Die Frage nach der Form jenes „allgemeinen Wesens der Dinge“ ist Ausgangspunkt und Ziel von Galas’ Gemälden.
Man traut sich jedoch nicht ganz mit Heidegger mitzugehen, fürchtet einzubrechen, denn das was Heidegger als essenziell beschreibt gibt uns bei längerem Hinsehen wenig Halt – erscheint letztendlich ebenso fabriziert wie das genaue Abbild.
In Galas’ Arbeiten schwingt eine unterschwellige Kritik mit. Sie scheint die Bilder mit derselben Gleichgültigkeit und Ziellosigkeit zu begleiten. Die Bilder verbergen nichts und das ist manchmal schwierig auszuhalten.
– Michel Gomm ist bildender Künstler und freier Autor. Er lebt und arbeitet in Berlin.
– (1) Lambert Wiesing, Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt am Main 2005, S. 80. (2) Martin Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerks, Frankfurt am Main 2012, S. 22.